Wie kann die Vierländerregion Bodensee von der Digitalisierung profitieren und sich als Modellregion für intelligente und nachhaltige Entwicklung positionieren? Darüber haben sich rund 100 Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft, Verwaltung und Politik aus Österreich, dem Fürstentum Liechtenstein, der Schweiz und Deutschland an der Hochschule Konstanz – Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) ausgetauscht. Ein wichtiger Baustein dafür soll eine institutionalisierte, branchen-, disziplinen- und länderübergreifende Vernetzungsplattform sein.
Digitalisierung, Internet der Dinge, Industrie 4.0 – die Definition der Begriffe ist oft unscharf. Klar ist jedoch, dass das, was sie beschreiben, bereits jetzt Wirtschaft und Gesellschaft verändert. Neue Technologien und verändertes Denken stellen gerade kleine und mittlere Unternehmen, die nicht über die Ressourcen und Expertise der Global Player verfügen, vor entscheidende Herausforderungen. Besondere Zielgruppe des Treffens unter dem Titel „Digitalisierung kennt keine Grenzen" war deshalb der Mittelstand der Vierländerregion, dem Minister Friedrich in seinem Einführungsvortrag ein „einzigartiges Innovationspotential" bescheinigte. „Ich bin überzeugt, dass wir das Innovations- und Kooperationspotential der Digitalisierung durch einen effektiven Wissens- und Technologietransfer für die Wirtschaftsregion Bodensee nutzbar machen können und müssen. Denn als internationaler Wirtschaftsstandort ist die Region dafür geradezu prädestiniert, im Kontext des digitalen Wandels grenzüberschreitende Synergieeffekte zu hebeln und so den Wandel aktiv zu gestalten", betonte Friedrich.
Kompetenzen zum Thema Digitalisierung weiter vorantreiben
Auf Initiative des Ministers für Bundesrat, Europa und internationale Angelegenheiten und in enger Partnerschaft mit der Internationalen Bodensee Konferenz (IBK) hatte die Hochschule Konstanz grenz- und branchenübergreifend eingeladen, um die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft sowie die strategische Bündelung bereits vorhandener Kompetenzen zum Thema Digitalisierung weiter voranzutreiben. „Wir sind bereit, einen wichtigen Beitrag zur weiteren Vernetzung zu leisten. Wir kennen und schätzen als Hochschule für Angewandte Wissenschaften sowohl intern auf dem Campus wie auch im Technologie- und Wissenstransfer die Fächer- und Landesgrenzen überschreitende Zusammenarbeit", betonte Prof. Dr. Oliver Haase, Vizepräsident Forschung, in seiner Begrüßung.
Wandel in den Fabrikhallen und im Denken
Die Referenten der Veranstaltung machten gleichermaßen den Wandel in den Fabrikhallen als auch den nötigen Wandel im Denken deutlich, indem sie zeigten, wie Digitalisierung Produkte und Produktion, aber auch das Arbeiten und Wirtschaften weiter verändern wird. So werde die „Verheiratung" der physischen und der digitalen Welt grundlegende wirtschaftliche, gesellschaftliche und soziale Veränderungen mit sich bringen. Dr. Markus Weinberger, Leiter des Bosch Internet of Things and Services Labs, zeigte, wie konventionelle Geschäftsfelder und traditionelle Produkte „digital aufgeladen" werden: Als konkretes Beispiel zeigte er eine traditionelle Glühbirne, die mit Sensoren ausgestattet zur präventiven Alarmanlage wird. „Flexibilität im Denken wird entscheidend sein, um aus den technischen Möglichkeiten, die die Digitalisierung bringt, auch erfolgreiche Anwendungen zu machen und diese in erfolgreiche Geschäftsmodelle umzusetzen", resümierte Weinberger. Dr. Hans-Dieter Zimmermann von der Fachhochschule St. Gallen machte die Notwendigkeit eines "digitalen Denkens" deutlich: „Digitalisierung passiert nicht von selbst, man muss sie gestalten und aktiv managen. Das braucht Mut, Überzeugung und Leadership."
In einer Podiumsdiskussion machte Jutta Driesch, Vorsitzende der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Konstanz und aktuelle Vorsitzende des Netzwerks Arbeitsmarkt Bodensee darauf aufmerksam, dass in der Folge der Veränderungen auch von einer „Arbeitswelt 4.0" gesprochen werden müsse. So werden manche traditionellen Berufe aussterben, aber auch viele neue Berufsbilder, meist mit komplexen Anforderungen, entstehen. Deshalb müssten entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen entwickelt werden, um junge Arbeitnehmer zukunftsfähig auszubilden und geringer Qualifizierte davor zu bewahren, zu Verlierern der Digitalisierung zu werden.
Georg Hiltner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Konstanz wies auf die Veränderung der Aufgaben der Kammern hin: „Als Handwerkskammer ist es unsere Aufgabe, unseren Mitgliedsunternehmen aufzuzeigen, wohin die digitale Reise geht und welche Vorteile sie daraus ziehen können. Wir sind sehr interessiert daran, den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis zu forcieren und damit das Thema Digitalisierung zu einem Erfolgsmotor in der Region zu machen."
Vierte industrielle Revolution
Große Chancen, aber auch große Herausforderungen werden in der vierten industriellen Revolution erkannt. In Workshops formulierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, was sich kleine und mittlere Unternehmen der Bodenseeregion von einer Vernetzungsplattform erhoffen. Wie können zum Beispiel nötige Qualifizierungsmaßnahmen sichergestellt werden? Wie ist ein besserer länderübergreifender Austausch möglich, um positive Synergieeffekte zu nutzen? Wie können neue Berufsbilder grenzüberschreitend anerkannt werden? Wie können rechtliche Fragen wie Datensicherheit bearbeitet, wie ein grundlegender Kulturwandel realisiert werden?
„Damit insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen rund um den See von der Digitalisierung profitieren können, müssen wir als Region an einem Strang ziehen und unsere Kompetenzen noch intensiver verknüpfen", forderte Minister Friedrich und kündigte an: „Hierfür schaffen wir mit der ‚Bodensee-Plattform Innovation 4.0‘ eine wichtige Basis für die Wirtschaftsakteure der Region."