Auf einer Delegationsreise nach Brüssel sprachen IBK-Regierungschefs mit führenden Vertretern des Europäischen Auswärtigen Dienstes und der EU-Kommission über wichtige Themen aus Sicht der Grenzregion an Bodensee und Rhein.
In Zeiten, in denen andernorts in Europa die Grenzzäune erhöht werden, setzt man in der Bodenseeregion auf die Entwicklung gemeinsamer Zukunftsperspektiven. Ziel der Delegationsreise der Internationalen Bodensee Konferenz (IBK) nach Brüssel war es, sich erstmalig gemeinsam auf europäischer Ebene zu präsentieren und die besonderen Anliegen der Bodenseeregion darzustellen. „Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist für die Belange dieses wirtschaftsstarken Grenzraums außerordentlich wichtig", betonte Europaminister Peter Friedrich aus Baden-Württemberg.
Der Grenzraum entlang Bodensee und Rhein zwischen Deutschland, der Schweiz, Österreich und Liechtenstein ist heute einer der leistungsfähigsten Wirtschaftsräume in Europa, wie Ernst Stocker, Regierungspräsident des Kantons Zürich und derzeitiger IBK-Vorsitzender betonte. Alle Teilräume weisen überdurchschnittliche Wachstumsraten auf und rangieren mit ihrem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf im europäischen Vergleich auf Spitzenplätzen. Die Innovations- und Wettbewerbsfunktionen der internationalen Bodenseeregion sind herausragend und mit dem Niveau führender Metropolregionen vergleichbar. Rund um den See tragen Fachkräfte aus den Nachbarregionen als Grenzgänger ganz entscheidend zum Wohlstand der Region bei. Auch beim grenzüberschreitenden Austausch von Waren, Dienstleistungen und Personen kommt dem Grenzraum eine Schlüsselrolle zu. So ist etwa Baden-Württemberg für die Schweiz einer der wichtigsten Handelspartner weltweit. Auch die Vorarlberger und Liechtensteiner Wirtschaft sind eng mit den Nachbarländern verflochten.
Personenfreizügigkeitsabkommen Schweiz-EU gefährdet
Die exzellente Ausgangslage der Bodenseeregion könnte allerdings getrübt werden, wenn die derzeit gültigen Grundlagen der Personenfreizügigkeit eingeschränkt werden. Dies könnte der Fall sein, wenn im Zuge der Umsetzung der in der Schweiz 2014 angenommenen sogenannten „Masseneinwanderungsinitiative" die Zuwanderung in die Schweiz neu mittels Kontingenten geregelt wird und davon explizit auch die Grenzgänger umfasst wären. In der Folge würde die bilateral zwischen der Schweiz und Europäischer Union (EU) garantierte Personenfreizügigkeit einschränkt und somit das gesamte Paket der bilateralen Verträge in Gefahr geraten. Diese Sachlage ist derzeit Gegenstand von Gesprächen zwischen der EU und dem Schweizer Bund.
Die Delegation vom Bodensee konnte in Brüssel mit führenden Vertretern des Europäischen Auswärtigen Dienstes und der EU-Kommission sprechen, darunter auch EU-Kommissar Günter Oettinger. Die Sachlage in der Schweiz und die Sicht der Kantone wurde den europäischen Gesprächspartnern von Regierungspräsident Benedikt Würth vom Kanton St. Gallen erläutert.
Wesentlicher Teil der Gespräche war die Vermittlung und Diskussion von Modellbeispielen der wirtschaftlichen und wissensorientierten Verflechtung am Bodensee. Landeshauptmann Markus Wallner aus Vorarlberg stellte etwa die die Internationale Bodensee-Hochschule (IBH) als europaweit größten, grenzüberschreitenden Hochschulverbund von Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen vor. Der Thurgauer Wirtschaftsminister Dr. Kaspar Schläpfer präsentierte die Zukunftsinitiative des Internationalen Wirtschaftskonzils, dessen Auftakt im April 2015 große Aufmerksamkeit auch für die europäische Zusammenarbeit erzeugte.
„Aus Sicht der IBK wäre die Erarbeitung einer vernünftigen Lösung zwischen EU und Schweiz ein wichtiges Signal für die Region", so Europaminister Friedrich. Und weiter: „Für die internationale Bodenseeregion kann es nur den Weg nach vorne geben und das bedeutet, dass wir uns konstruktiv über Lösungsmöglichkeiten austauschen. Wir brauchen eine praktikable Lösung, die die Prosperität der Region und unsere sehr guten nachbarschaftlichen Beziehungen nicht gefährdet."
Umweltqualitätsziele mit Augenmaß gefordertEin weiteres Thema war die kürzlich erfolgte Verschärfung der Umweltqualitätsnormen für prioritäre Stoffe im Rahmen der EG-Wasserrahmenrichtlinie, also die Regelung der zulässigen Konzentration einiger durch den Menschen verursachter Spurenstoffe im Wasserkreislauf. In Folge der Herabsetzung der Grenzwerte verschlechtert sich die rechtliche Beurteilung für den Bodensee – und das, obwohl faktisch keine Verschlechterung der chemischen Gewässerqualität nachweisbar ist. Die IBK hat daher die Europäische Kommission aufgefordert, die Umweltqualitätsnormen für ubiquitäre und persistente Stoffe auf ein realistisches Maß zurückzuführen und die Ableitung von nur schwer nachvollziehbaren Grenzwerten einer strengen Überprüfung zu unterziehen.