Konstanz (BI) Am Bodensee sorgte zuletzt die Frage für einigen Streit, was die Ursache der dramatischen Ertragseinbrüche der Berufsfischerei sind und was dagegen getan werden kann. Im Dialogforum See und Fisch der IBK haben erstmals alle Beteiligten gemeinsam unterschiedlichen Auffassungen ausgetauscht und konkrete Handlungsmöglichkeiten geprüft. Die Ergebnisse des Dialogforums sind nun verfügbar. Die Internationale Bodensee Konferenz (IBK) verfolgt seit geraumer Zeit die zum Teil sehr kontroversen Diskussionen um die Rückgänge der Fischereierträge am Bodensee-Obersee. Insbesondere die Frage, ob der Bodensee „zu sauber" sei und die Forderung der Berufsfischer, die Nährstoffkonzentration im See zu erhöhen, erregten große öffentliche Aufmerksamkeit. Die IBK-Regierungschefs hatten anlässlich ihrer Konferenz am 10. Dezember 2015 in Meersburg das große, grenzübergreifende Interesse an einem Dialog aller Kräfte im Bodenseeraum, denen an einem intakten Ökosystem Bodensee und an einer nachhaltigen Berufsfischerei gelegen ist, betont und die Einrichtung eines „Dialogforums See und Fisch" beschlossen.
Dialogforum bringt unterschiedliche Interessen zusammen Hauptziel des Dialogforums war es, die Ursachen der Ertragseinbrüche der Berufsfischerei in den vergangenen Jahren aus verschiedenen Blickwinkeln zu ergründen, gegenseitiges Verständnis für die Anliegen aller Beteiligten zu schaffen, unterschiedliche Auffassungen zu versachlichen und realistische Handlungsmöglichkeiten in ihren Konsequenzen zu verstehen und gegeneinander abzuwägen.
Die IBK hat Wert darauf gelegt, dass ein möglichst breites Spektrum an Interessen und Sichtweisen im Dialogforum vertreten war. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen aus allen Teilen der Bodenseeregion und brachten sowohl praktische als auch wissenschaftliche Erfahrungen ein. Erstmals haben damit internationale Vertreterinnen und Vertreter aus Berufsfischerei, Angelsport, Tourismus, Gastronomie, Gewässerschutz, Naturschutz und der Verwaltung gemeinsam ihre unterschiedlichen Sichtweisen ausgetauscht.
Dialog und Faktencheck in drei ganztägigen Foren Im Dialogforum See und Fisch haben von April bis September 2016 drei ganztägige Sitzungen unter Begleitung durch professionelle Moderatoren stattgefunden. Bei der Auftaktveranstaltung am 27. April 2016 im Würth Haus in Rorschach standen die gemeinsame Begegnung, das Abstecken der Dialoginhalte und die offene Diskussion rund um das Thema See und Fisch im Vordergrund. Grundfrage war, wie die verschiedenen Nutzungsansprüche an den Bodensee unter einen Hut zu bringen sind. Es wurde ein Katalog mit konkreten Fragen erarbeitet zu Themen wie der wirtschaftlichen Situation der Berufsfischerei, der Wasserqualität des Bodensees, dem Zusammenhang zwischen Nährstoffen und Fangerträgen, dem Einfluss von eingewanderten Arten wie dem Stichling auf die Fischpopulation, der Rolle der Fischerei für Tourismus und Gastronomie sowie Absatzmöglichkeiten für regionalen Fisch.
Mit dem zweiten Treffen am 7. Juni 2016 im Konzil in Konstanz begann ein Faktencheck. Zu jeder einzelnen Frage wurden Fachleute aus Deutschland, der Schweiz und Österreich gehört. Anschließend haben die Teilnehmenden des Dialogforums ausdiskutiert, was als Konsens zur Faktenlage nach aktuellem Kenntnisstand festgehalten werden kann. An der Abschlussveranstaltung am 27. September 2016 in Bregenz wurden der Faktencheck abgeschlossen und erste realisierbare Lösungsvorschläge für die Berufsfischerei herausgearbeitet.
Die Teilnehmer haben sich darauf verständigt, an den Handlungsmöglichkeiten intensiv weiterzuarbeiten. Zu einigen wichtigen offenen Fragen laufen bereits Forschungsprojekte oder werden in Kürze lanciert. Einige Akteure haben bereits konkrete Schritte im Visier. Die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) hat angekündigt, ihr anstehendes Forschungsprogramm zur Resilienz des Bodensees auch mit der IBK, der Internationalen Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei (IBKF) und weiteren Institutionen zu koordinieren. Die IBKF ihrerseits will die Möglichkeiten für Aquakulturen gemeinsam mit der Wasserwirtschaft und den Berufsfischern erörtern. Aus fischökologischer Sicht soll eine der Hauptursachen des Einbruchs bei den Felchen-Fangerträgen der letzten Jahr weiter erforscht werden: der Stichling. Der um 1950 zugewanderte Nahrungskonkurrent und Laichräuber Stichling tritt heute in Massenvorkommen im See auf.
Lösungen erfordern von allen Akteuren Bewusstsein für den Gesamtblick Eine positive Bilanz zum Dialogforum ziehen die Veranstalter der IBK. Der Vorsitzende der Kommission Umwelt, Bernd Luibl vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz stellt fest: „Die Einschätzungen von Gewässerschutz und Berufsfischern zur Phosphorkonzentration im Bodensee-Obersee liegen nahe beieinander und damit die Vorstellungen von einem Nährstoffgehalt, der für den Gewässerschutz unbedenklich und für den Fischereiertrag aussichtsreich ist." Dagegen habe sich ein aktives Phosphatmanagement nicht als gangbarer Weg erwiesen. Zwar wurden die grundsätzlichen Zusammenhänge zwischen Nährstoffen und Fischertrag anerkannt. Es wurde aber auch aufgezeigt, dass der starke Felchenrückgang ab 2013 nicht mit dem Phosphorgehalt des Bodensees allein erklärt werden kann. Diese Entwicklung ist wahrscheinlich stark vom Massenaufkommen der Stichlinge als Fressfeinde und Futterkonkurrenten der Felchen mit beeinflusst. Es wurde deutlich, dass die Folgen einer gezielten Nährstoffzufuhr nicht vorhersehbar und unverantwortlich für den international bedeutenden Trinkwasserspeicher Bodensee wären.
„Man spürt, dass die Beteiligten mit einem veränderten Bewusstsein aus dem Dialogforum kommen", so Dr. Beat Baumgartner, Chef des Amts für Umwelt des Kantons Thurgau, Mitglied der IBK-Kommission Umwelt und Leadpartner des Interreg-Kleinprojekts Dialogforum See und Fisch. Es sei ein gutes Zeichen, dass die Gewässerforschung die Fischereiseite aktiv einbeziehe und dass gemeinsame Überlegungen zur Produktion und Vermarktung von Bodenseefelchen angestellt würden. „Bei den konkreten Handlungsmöglichkeiten wird noch einiger Klärungsbedarf gesehen, wobei sich alle Beteiligten bereit erklärt haben, an den offenen Fragen weiter aktiv mitzuarbeiten. Dafür ist allen Beteiligten Dank und Anerkennung auszusprechen", so Baumgartner, der ab 2017 den Vorsitz der IBK-Kommission Umwelt übernehmen wird.
„Die IBK wird den Dialog See und Fisch weiterhin begleiten", verspricht Geschäftsführer Klaus-Dieter Schnell, „sowohl durch die Kommission Umwelt auf der fachpolitischen Ebene, als auch bei der Aufgleisung konkreter und grenzüberschreitender Projektideen, etwa im Rahmen des IBK-Kleinprojektefonds".
Die Dokumentation des Forums steht auf der Webseite der IBK unter
www.bodenseekonferenz.org/dialogforum zum Herunterladen bereit.
Das Dialogforum See und Fisch wird durch das Programm Interreg „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein" im Rahmen des IBK-Kleinprojektefonds gefördert.
Ansprechpartner zum Dialogforum See und Fisch der IBK:
- Dr. Beat Baumgartner, Amt für Umwelt Kanton Thurgau, +41 58 345 51 50
- Klaus-Dieter Schnell, Geschäftsführer IBK, +49 7531 527 22