Bodensee-Informationsdienst Archiv

6. Dialogforum See & Fisch
Komplexe Situation rund um die Fischerei

Fachtagung der Internationalen Bodensee-Konferenz (IBK) im Seemuseum Kreuzlingen

Bild: 50 Fachleute aus Fischerei, Umweltschutz und
Forschung waren am Dialogforum See & Fisch dabei.
Die schwierige Situation der Bodensee-Fischerei war erneut Thema bei der Internationalen Bodensee-Konferenz (IBK). Am 30. Juni kamen auf Einladung der IBK-Kommission Umwelt rund 50 Fachleute aus Forschung und Praxis im Seemuseum Kreuzlingen zum 6. Dialogforum See & Fisch zusammen. Diskutiert wurde über Veränderungen im Ökosystem Bodensee: Besonders invasive Arten und der Klimawandel sorgen für weiter rückläufige Fangerträge und düstere Prognosen. (Die Politik ist gefordert.)

«Die Situation der Fischerei ist weiterhin sehr prekär. Die Fangerträge stagnieren oder sind rückläufig, einfache Lösungen sind nicht möglich», so Christoph Zemp, Vorsitzender der IBK-Kommission Umwelt und Amtsleiter des Amts für Abfall, Wasser, Energie und Luft des Kanton Zürich. «Zugleich laufen seit 2018 im Projekt «SeeWandel: Leben im Bodensee – gestern, heute und morgen» umfangreiche Forschungsarbeiten rund um das Ökosystem Bodensee. Erste Ergebnisse liegen vor und es stellt sich die Frage, was die Erkenntnisse der Forschung für die Fischerei am Bodensee bedeuten.» Genau das war Thema beim 6. Dialog-Forum am Donnerstag, 30. Juni 2022 im Seemuseum in Kreuzlingen.

Der Klimawandel ist spürbar

Die Veranstaltung war in drei Blöcke unterteilt: Es ging um den Ist-Zustand des Bodensees, über die Auswirkungen auf die Fischerei und um mögliche nächste Schritte. Dr. Martin Wessels, Institut für Seenforschung in Langenargen, Dr. Piet Spaak, Projektleiter SeeWandel, Dr. Alexander Brinker, Fischereiforschungsstelle Langenargen und Dr. Dietmar Straile, Limnologisches Institut der Universität Konstanz referierten über aktuelle abiotische (u.a. Wassertemperatur, Nährstoffe) und biotische (u.a. Fischbestand, Zooplankton, invasive Arten) Daten sowie über die Entwicklung der Fangerträge. Deutlich wurde, dass der Klimawandel im See längst angekommen ist (u.a. deutliche Temperaturzunahme auch im Tiefenwasser). Die Ernährungssituation der Fische, allen voran der Felchenpopulation, wird durch die dramatische Ausbereitung invasiver Arten wie Stichling und Quagga-Muschel massiv beeinträchtigt. Während der Stichling als direkter Nahrungskonkurrent auftritt und u.a. die Wasserflöhe, die Lieblingsnahrung der Felchen, dezimiert, wirkt die Quagga-Muschel eher indirekt, indem sie für eine massive Abnahme des Phytoplanktons sorgt, welches am Anfang der Nahrungskette steht. «Weniger Phytoplankton heisst weniger Zooplankton, heisst weniger Nahrung für die Fische», so Dr. Piet Spaak vom SeeWandel-Projekt. «Die Effekte der Stichlinge sind jetzt schon nachweisbar, wie Dr. Alexander Brinker zeigte. Die Quagga Muschel breitet sich noch immer weiter aus, Ihre negativen Effekte werden sich erst in den nächsten Jahren voll auswirken», befürchtet Dr. Piet Spaak.

Dramatische Situation der Fischerei

Die Experten beurteilen die Situation für das Felchen, den Brotfisch des Bodensees, pessimistisch. Neben Klimawandel und weiteren invasiven Arten – die Schwarzmeergrundel könnte bald durch Wanderschiffe eingetragen werden – kommen der Freizeitdruck auf die Flachwasserzonen (Kinderstube der Fische) und der Frassdruck durch ansteigende Kormoranpopulationen hinzu. Ohne Gegenmaßnahmen wird es hier keine Besserung geben, erklärt Anita Koops, Württembergische Bodenseefischerei. Und Reto Leuch, Schweizerischer Berufsfischerverband, fordert, dass die Politik die Fischer endlich unterstützt, etwa durch Förderprogramme für das Abfischen der Stichlinge. Elke Dilger, Verband badischer Berufsfischer ergänzt, es gelte dabei auch den Nutzen der Fischerei für Tourismus und Gastronomie sowie das Lebensmittel Fisch abzuwägen.

Ansätze zur Verbesserung – Politik ist gefordert

«Die Situation ist äußerst komplex und die Dringlichkeit ist zu spüren», fasst Christoph Zemp, Vorsitzenden der IBK-Kommission Umwelt, am Ende zusammen. Die IBK-Kommission Umwelt wolle die Politik über die Situation informieren. Es gebe konkrete Ansätze wie ein Kormoran-Management, Projekte zur Stichling-Reduktion oder gastronomische Aktionen wie die Rotaugen-Wochen, die vom neu gegründeten Verein Bodenseefisch initiiert wurden. Auch dessen neue Wort-Bild-Marke «Wildfisch aus dem Bodensee», vorgestellt von Bernd Kaulitzki, wurden positiv aufgenommen. Dennoch seien solche Projekte kein Ersatz für den sonstigen Ertragsausfall der Fischerei. Nur gemeinsam komme man weiter. Wichtig seien auch die anwesenden Partnerorganisationen, die Internationale Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei (IBKF) und die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB).

Seit dem Jahr 2016 regelmäßiger Austausch

Von allen Beteiligten gewünscht wird die Fortsetzung des Fachaustauschs. Das Wort Dialogforum ist dabei ganz wörtlich zu nehmen. Bereits im Jahr 2016 fanden die ersten drei Dialog-Foren See & Fisch unter dem Dach der Internationalen Bodensee-Konferenz (IBK) statt. Es folgten weitere Termine in 2017 und 2019.  Das Format war ursprünglich entstanden als vertrauensbildende Maßnahme, um die festgefahrene Situation zwischen Fischerei und Ökologie/Umweltschutz durch eine sorgfältig vorbereitete, moderierte Veranstaltung in geschütztem Rahmen wieder in Gang zu bringen. «Wir wollten einen Beitrag leisten, um das gegenseitige Verständnis zwischen Forschung und Praxis zu erhöhen und gemeinsam Ansatzpunkte für Verbesserungen zu finden», so Christoph Zemp. «Das ist bestens gelungen – wir können heute hier vertrauensvoll diskutieren und den Blick nach vorne richten.

Die Initiative für das nächste Dialog-Forum übernimmt ab 1. Juli 2022 der neue Vorsitzende der IBK-Kommission Umwelt, Karlheinz Diethelm, Amtsleiter Amt für Umwelt des Kantons Appenzell Ausserrhoden. Christoph Zemp bleibt Mitglied der IBK-Kommission Umwelt.

Weitere Informationen:
Christoph Zemp, Amtschef im Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) des Kantons Zürich, Telefon: +41 43-259-3201, E-Mail: christoph.zemp@bd.zh
Dr. Karlheinz Diethelm, Amtschef im Amt für Umwelt des Kantons Appenzell Ausserrhoden,  Telefon: +41 71 353 65 30, E-Mail: karlheinz.diethelm@ar.ch
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