Inmitten der Landesgartenschau in Überlingen fand am 9. September 2021 ein spannender Einblick in die laufenden Aktivitäten der Wissenschaft und der Praxis zum Thema "Klimaneutrale Mobilität auf dem Bodensee" statt. Die Veranstaltung fand in Zusammenarbeit mit dem DenkRaumDialog Bodensee statt.
Das Thema einer klimaneutralen Mobilität auf dem See hat in den letzten Jahren auch in der Bodenseeregion erheblich an Bedeutung gewonnen. Dr. Roland Scherer von der Universität St.Gallen führte durch den Nachmittag. Patrick Ruggli vom Amt für öffentlichen Verkehr Kanton St. Gallen begrüsste zur Veranstaltung.
CO2-neutrale Zukunft
Lukas Rühli von Avenir Suisse, dem unabhängigen Think-Tank marktwirtschaftlicher, liberaler und wissenschaftlich fundierter Ideen für die Zukunft der Schweiz, sprach die möglichen Wege in eine C02-neutrale Zukunft an. Für Schwefeldioxid oder Luftschadstoffe konnten in den vergangenen zwei Jahrzehnten Rückgänge gemessen werden, aber der C02- Ausstoss erhöht sich laufend. Die Emissionen werden durch verschiedene Faktoren beeinflusst: die Bevölkerungsgrösse, das Konsumverhalten und die technische Entwicklung. Aus Sicht von Avenir Suisse könne die Bevölkerungsentwicklung nicht aktiv beeinflusst werden. Auch der Verzicht auf Konsum sei nicht realistisch – im besten Fall gelingt eine Änderung im Konsumverhalten. Den grössten Nutzen bezüglich einer Verringerung der Schadstoffemissionen sieht Herr Rühli in neuen Antriebstechnologien. Die Elektrifizierung des Verkehrs trägt viel dazu bei, den CO2-Ausstosses, der heute bei 32% aller CO2-Emissionen liegen, zu reduzieren. Der dadurch steigende Strombedarf bei gleichzeitigem Ausstieg aus der Atomstromproduktion stellt uns jedoch vor einige Herausforderungen. Nebst Energie aus Sonnenkraft und Wasser brauchen wir neue (synthetische) Treibstoffe wie Wasserstoff. Solche Innovationen sind laut Avenir Suisse wichtig und richtig und weiter voranzutreiben.
Wie sieht die Energieversorgung der Zukunft aus?
Mit der zukünftigen Energieversorgung befasst sich auch Patrik Soltic von der Abteilung Fahrzeugantriebssystem der Empa. Die Empa stellt sich der Aufgabe, Wege in eine lebenswerte Zukunft für künftige Generationen aufzuzeigen und zu entwickeln. Sie will mit Hilfe von innovativer Technologien Material- und Stoffkreisläufe schliessen helfen. So brauchen wir beispielsweise mit dem Ausstieg aus der Kernenergie andere Optionen, welche CO2-arm oder -frei sind. Nebst jahreszeitlichen Produktionsschwankungen bei der Energiegewinnung aus Sonnen- oder Wasserkraft müssen wir die Probleme der Speicherkapazität lösen. Es gibt jedoch Lösungen. Insbesondere ist es wichtig, Antriebssysteme und ihre Anwendungen mit dem richtigen Energieträger zu kombinieren. Z.B. eignen sich für Fahrzeuge, welche nur kurze Distanzen zurücklegen, batteriebetriebene Antriebe. Für lange Distanzen eignen sich Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, welche mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden. Auf jeden Fall ist eine ganzheitliche Sicht notwendig, um die CO2-Emissionen langfristig zu senken. Es braucht neue Ideen und Innovationen. Die Empa unterstützt die ganzheitliche Sicht. Nebst den Energien Wind und Sonne braucht es weitere erneuerbare Energieträger.
Emissionsfreier Personennahverkehr
Auf Basis der Inputs zu neuen Technologien äusserte sich Kristian Peter von der solarLAGO, dem Verbund von Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Landkreis Konstanz und rund um den Bodensee, konkret zum emissionsfreien öffentlichen Personennahverkehr in Konstanz. Die Fähre zwischen Konstanz und Meersburg sowie der Katamaran verbrauchen heute zusammen über die Hälfte am Gesamtdieselverbrauch der Transportmittel des ÖPNV in Konstanz. Die Grösse der Schiffe und ihre Aufgaben im Personen- und Gütertransport stellen deshalb eine sehr grosse Herausforderung dar. Um die gesamte öffentliche Bodenseeschifffahrt mit elektrischer Energie anzutreiben, müsste eine Photovoltaikanlage in der Grösse eines Quadratkilometers erstellt werden. In der privaten Schifffahrt gäbe es hingegen genügend Möglichkeiten, Sport- und Segelboote mit einem CO2-freien Antrieb auszurüsten.
Nachhaltige Mobilität auf dem Bodensee
Auch Christoph Witte von den Bodensee-Schiffsbetrieben (BSB) äusserte sich dahingehend, dass private Bootsbesitzer einen großen Beitrag zur klimaneutralen Mobilität auf dem Bodensee leisten könnten. Aber auch die öffentliche Schifffahrt kann ihren Beitrag leisten. Bei der BSB ist mit dem Elektroschiff MS Artemis der erste Schritt getan, die komplette Flotte auf umweltfreundliche Antriebe umzustellen. Das Schiff wird vollelektrisch angetrieben und während der Fahrt kann bis zu 20% des Energiebedarfs durch die Solarzellen auf dem Sonnendeck gedeckt werden. Die MS Artemis soll ab Sommer 2022 auf dem Bodensee fahren.
Am Schluss wies Stefan Thalmann, Leiter öffentlicher Verkehr des Kantons Thurgau, darauf hin, dass mit dem Schiff die Reisezeit vergleichbar sein muss mit der des Zuges, damit das Schiff bevorzugt wird. In der täglichen Mobilität hat die Schifffahrt einen vergleichsweise kleinen Anteil an der Gesamtmobilität. Deshalb wird von der Elektrifizierung der alltäglich verwendeten Mobilitätswerkzeuge ein höherer Nutzen erwartet.
Gemäss Andrea Ruf der Schweizerischen Bodensee Schifffahrt (SBS) bzw. Remo Rey der Schweizerischen Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein (URh) wurden bisher noch keine konkreten Projekte in Richtung Elektrifizierung angestossen. Die Herausforderung besteht vor allem darin, alte Schiffe neu mit innovativen Antriebsarten zu motorisieren. Umso mehr wird der Austausch zwischen betroffenen Akteuren wie an der heutigen Veranstaltung sehr geschätzt.
Nicht nur auf dem Bodensee, sondern auf Gewässern der ganzen Schweiz gibt es die gleichen Bestrebungen. Das zeigt auch das Beispiel des Walensees, wo zurzeit von der Stiftung «Quinten lebt» ein wasserstoffbetriebenes Seetaxi entwickelt und umgesetzt wird.
Die rege Diskussion hat gezeigt, dass viel Interesse am Thema besteht und die Beteiligten weiter im Austausch bleiben möchten.